II.12. Public Private Partnerships: Nachhaltigkeit für die Infrastruktur?

Das LKW-Mautsysteme, eine der größten PPP in Deutschland
Das LKW-Mautsysteme, eine der größten PPP in Deutschland
Klaus Föhl / Wikimedia Commons „Mautbrücke auf der A81“ (CC BY-SA 3.0)

Die Nachhaltigkeitskriterien der Vereinten Nationen für die Infrastruktur in den nächsten 15 Jahren lauten:

  • Sie soll von technisch guter Qualität sein, widerstandsfähig, verlässlich, Städte und Siedlungen sollen sicher versorgt werden;
  • Sie soll sozial ausgestaltet werden: mit Vollbeschäftigung und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen; alle Bevölkerungsschichten sollen erschwinglichen Zugang erhalten;
  • Kleine und regionale Unternehmen und Finanzdienstleister sollen einbezogen und gefördert werden.

Nach diesen Kriterien sieht es für die mit „öffentlich-privaten Partnerschaften“ finanzierten Infrastrukturprojekten in der Bundesrepublik schlecht aus. Erstens: die Altlasten aus den schon laufenden Verträgen sind enorm. Zweitens: Die Bundesregierung stellt Weichen in dieselbe Richtung, gestützt ebenso auf die Bau- und Bankenlobby, die Privatisierungsindustrie und auf die Europäische Kommission.

 

Bisherige Bilanz

Public Private Partnership (PPP) wurde zum heute gültigen Finanzprodukt während der 1990er Jahre am Finanzplatz London entwickelt. PPP sollte helfen, die Infrastruktur trotz hoher Staatsverschuldung weiter und kostengünstiger auszubauen. Der eigentliche Grund war, für Private ein langfristiges, lukratives und möglichst risikoloses Anlagefeld zu erschließen.

Bei PPP finanzieren private Kapitalgeber den Bau von Schulen, Straßen, Autobahnen, Tunnels, Rathäusern, Verwaltungsgebäuden, Kindertagesstätten, Schwimmbädern, Kliniken und Gefängnissen. Die öffentliche Hand verpflichtet sich über Mietverträge, die in der Regel zwischen 20 und 30 Jahre laufen, die Kredite abzutragen und für den Betrieb eine Gruppe privater Unternehmen zu beauftragen. Diese übernehmen etwa das Energiemanagement, Wartungen und Reparaturen, Hausmeister- und Sicherheitsdienste.

Nach dem Vorbild der britischen Labour-Regierung unter Ministerpräsident Anthony Blair übernahm die Europäische Kommission das Modell. Sie fördert es seitdem durch Beratung und Vorzugskredite über die Europäische Investitionsbank (EIB). Die 1998 in Deutschland gewählte Bundesregierung aus SPD und Grünen unter Bundeskanzler Gerhard Schröder installierte das Modell auch in der Bundesrepublik Deutschland.[fn]Vgl. Rügemer (2012).[/fn]

Die Verträge werden bisher mithilfe privater Berater – insbesondere Großkanzleien wie Freshfields – so gestaltet, dass Staat, Bundesländer und Kommunen fast alle Risiken übernehmen. Schon die bisherigen, meist noch laufenden Projekte zeigen im Durchschnitt verheerende Ergebnisse.

Die Hamburger Elbphilharmonie, die 90 Schulen des Landkreises Offenbach und die Gefängnisse in Waldeck, Hünfeld und Burg sind bekannte Beispiele dafür, dass die Kosten für die öffentliche Hand sehr viel höher sind als versprochen, auch viel höher als bei traditioneller Auftragsvergabe.[fn]Mueller-Töwe (2015).[/fn] Das größte deutsche PPP-Projekt ist Toll Collect, die Autobahnmaut für LKW. Weil die Konzerne Daimler, Telekom und cofiroute nicht vertragsgemäß geliefert haben, schulden sie dem Staat mit Zins und Zinseszins jetzt sieben Milliarden Euro. Für die erfolglose Beratung bei der privaten Streitschlichtung während zwölf Jahren hat der Bund diversen Großkanzleien bisher über 130 Millionen Euro gezahlt.

PPP ist damit finanziell nicht nachhaltig und trägt sogar zur noch höheren Staatsverschuldung bei. Dies führt zu Kürzungen in den öffentlichen Haushalten an anderer Stelle, wodurch vor allem die ärmeren Schichten der Bevölkerung belastet werden. Aber auch die anderen Nachhaltigkeitsziele werden nicht erreicht: PPP liegt in der Hand eines knappen halben Dutzends internationaler Unternehmen, die den Markt unter sich aufteilen. Mittelständische und kleine Unternehmen werden zwar als Subunternehmen einbezogen, aber zu Dumping-Werklöhnen. Die Beschäftigten werden mehrheitlich schlecht bezahlt. Die technische Qualität der Leistungen leidet darunter, vielfach muss nach wenigen Jahren teuer nachgebessert werden. In Großbritannien musste im April 2016 die Stadt Edinburgh 9.000 Schüler auf unbestimmte Zeit nachhause schicken, weil 17 PPP-Schulen wegen Baumängeln geschlossen werden mussten.[fn]Vgl. www.theguardian.com/uk-news/2016/apr/10/emergency-closure-of-pfi-built-schools-strands-9000-edinbur…. [/fn]

 

Bundesregierung treibt neue Projekte voran

In Kommunen und Bundesländern hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass PPP sich nicht lohnt. Aber die Bundesregierung hält verbissen daran fest. Einen neuen Anstoß hatte 2009 nach der Finanzkrise die Europäische Kommission unter Präsident José Barroso gegeben. Nachfolger Jean-Claude Juncker setzte mit dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) 2014 noch eins drauf: Mithilfe von lediglich 21 Milliarden Euro Eigenmitteln sollen 315 Milliarden Euro bei Banken und Versicherungen mobilisiert werden, für Bahnen, Straßen, Stromtrassen und digitale Netze.[fn]Vgl. http://ec.europa.eu/priorities/jobs-growth-and-investments. [/fn] Das Modell PPP soll dabei eine große Rolle spielen.

Die Bundesregierung konzentriert sich auf das Straßennetz. Sie will aber neben dem bisher mit PPP schon finanzierten Aus- und Neubau von Autobahnen auch Land- und Fernstraßen einbeziehen. Sie setzt sich über die Kritik des Bundesrechnungshofs hinweg.[fn]Bundesrechnungshof (2013).[/fn] Dabei sollen auch die Bürger belastet werden: Die Bundesregierung will die bisherige Maut für LkWs auf Autobahnen auch auf Landstraßen erheben, und zusätzlich soll auch für PkWs Maut bezahlt werden.

Zur Finanzierung will die Bundesregierung eine Bundesfernstraßen-Gesellschaft privaten Rechts gründen. Sie wäre für Planung, Bau und Unterhalt der Fernstraßen zuständig. Die Mautgebühren würden nicht mehr in den Bundeshaushalt, sondern in diese Gesellschaft fließen. Sie soll ohne Bundestagsbeschlüsse PPP-Verträge abschließen und dafür Milliarden-Kredite von Investoren einwerben. Bisher sind für den Betrieb der Autobahnen und Straßen die Bundesländer zuständig. Dafür werden 18.000 Beschäftigte eingesetzt. Die Gesellschaft würde neue, wohl eher ungünstigere Arbeitsverhältnisse schaffen. Der Bund will das Grundgesetz ändern, um den Bundesländern diese Aufgabe abnehmen zu können.[fn]Gemeingut in BürgerInnenhand (2016).[/fn]

Die Nachhaltigkeit wäre auch hier nicht gewährleistet, zum einen finanziell: Der Staatshaushalt würde durch die höheren Kosten – Gewinne für die Privaten und höhere Zinsen für die privat aufgenommenen Kredite – belastet. Belastet würden die bisherigen Beschäftigten der Straßenverwaltung im öffentlichen Dienst, und belastet würden die Bürger direkt durch die PkW-Maut.

Die einseitige Förderung des Straßenverkehrs würde auch die Umwelt noch mehr belasten. Der Transport von Gütern und Menschen würde noch weiter von der Bahn wegverlagert, auch im Zusammenhang mit dem Freihandelsvertrag Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP). Schließlich würde auch unter diesen Umständen die dominierende Stellung der großen Baukonzerne und Banken nicht angetastet.

 

Neue Geschäftsfelder für private Investoren

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat 2015 von einer Expertenkommission Empfehlungen für private Investitionen in die Infrastruktur erarbeiten lassen. In der als unabhängig bezeichneten Kommission waren u.a. Deutsche Bank, die Versicherungen Allianz und Ergo, Siemens und BASF vertreten. Das in der weiterdauernden Finanz- und Wirtschaftskrise freie Anlagekapital soll in Autobahnen, Straßen, Brücken, Kanalisationen und andere Leitungssysteme und Schulen fließen. Der Reparatur- und Modernisierungsstau liegt in der Tat seit langem im hochverschuldeten Staatswesen bei hohen dreistelligen Milliardenbeträgen.[fn]BMWi (2015).[/fn] Freilich spricht die von den Investoren geäußerte jährliche Renditeerwartung von vier bis sieben Prozent, die vom Staat zu gewährleisten sei, nicht für Nachhaltigkeit.

Die Bundestagsmehrheit novellierte 2013 das Personenbeförderungsgesetz (PBefG). Es ermöglicht dem Staatskonzern Deutsche Bahn (DB) nicht nur den Betrieb privater Fernbus-Unternehmen, sondern auch des kommunalen Nahverkehrs (ÖPNV). So übernahm Anfang 2016 eine DB-Tochtergesellschaft nach dem PPP-Muster die Verkehrsgesellschaft der baden-württembergischen Stadt Pforzheim. Die DB-Tochter zahlt Löhne von 400 Euro brutto unter dem öffentlichen Tarif. Die Bürger müssen mit geringeren Busdiensten rechnen: Die jährliche Transportleistung wurde von vier Millionen auf 3,2 Millionen Kilometer abgesenkt. Auch die bange Frage steht: Werden die Fahrpreise erhöht? Für die DB hat Pforzheim „Modellcharakter“. In Hildesheim, so die DB, bereite man die nächste Übernahme vor.[fn]Rügemer (2016).[/fn]

EU und Bundesregierung fördern PPP-Projekte im Ausland, die gegen praktisch alle Nachhaltigkeitskriterien verstoßen. Der deutsche Flughafenkonzern Fraport, großenteils im Staatseigentum, soll ab 2016 für 40 Jahre die Konzession für den Betrieb von 14 Regionalflughäfen in Griechenland übernehmen. Laut Vertrag muss der Investor weder Steuern auf Immobilien zahlen noch Gebühren für Abwasserentsorgung, Beleuchtung und andere kommunale Dienste. Der griechische Staat muss für Reparaturen der technischen Ausstattung aufkommen, und er muss Fraport für Flugausfälle entschädigen, die technisch bedingt sind oder durch Streiks verursacht werden. Für Beschäftigte, die bei Unfällen verletzt oder getötet werden, muss ebenso der griechische Staat einspringen, so die Analyse des ausgehandelten Vertrags durch attac. Er muss noch vom griechischen Parlament beschlossen werden.[fn]Vgl. www.fr-online.de/wirtschaft/flughafen--fraport-kassiert--athen-haftet-,1472780,34087380.html. [/fn] Berater waren die Kanzlei Norton Rose und die Citibank, die zur einflussreichen Privatisierungsindustrie gehören, die sich mittlerweile herausgebildet hat.[fn]Transnational Institute (2016), S. 16.[/fn]

Werner Rügemer
Werner Rügemer
Name

Werner Rügemer

ist Publizist, Lehrbeauftragter an der Universität Köln, Mitglied in der Gewerkschaft ver.di und im wissenschaftlichen Beirat von attac.

Literature

Bundesrechnungshof (2013): Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei Öffentlich Privaten Partnerschaften (ÖPP) im Bundesfernstraßenbau. BWV Gutachten. Bonn [http://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/gutachten-berichte-bwv/berichte/sammlung/20…].

Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ (2015): Stärkung von Investitionen in Deutschland. Berlin [http://www.bmwi.de/DE/Mediathek/publikationen,did=702188.html].

Gemeingut in Bürgerhand (2016): Bundesregierung hat Entwurf zur Grundgesetz-Änderung zum Einstieg in die Autobahnprivatisierung fertig. Berlin [https://www.gemeingut.org/bundesregierung-hat-entwurf-zur-grundgesetzaenderung-zum-einstieg-in-die-…].

Mueller-Töwe, Jonas (2015): Geheime Verträge, versteckte Kosten – Warum private Dienstleister Deutschlands Gefängnisse nicht billiger, sondern teurer machen. Essen [https://correctiv.org/blog/2015/11/12].

Rügemer, Werner (2016): Beute für die Bahn – Staatseigener Konzern übernimmt Nahverkehr in Kommunen. Die Stadt Pforzheim wurde als erste über den Tisch gezogen. In: junge Welt vom 10.3.2016, S. 9 [https://www.jungewelt.de/2016/03-10/037.php].

Rügemer, Werner (2012): „Heuschrecken“ im öffentlichen Raum. Public Privat Partnership – Anatomie eines globalen Finanzinstruments. Bielefeld [www.transcript-verlag.de/978-3-8376-1741-2/heuschrecken-im-oeffentlichen-raum].

Transnational Institute (2016): The Privatizing Industry in Europe. Amsterdam [www.tni.org/files/publication-downloads/tni_privatising_industry_in_europe.pdf].