II.10.2. Cui Bono? Anpassung an den Klimawandel in Städten

In unmittelbaren Gefahrenzonen, beispielsweise an Flussufern, an Küstenlinien oder an steilen Hängen leben insbesondere arme Bevölkerungsgruppen. Wohnlagen in Gefahrenzonen sind für ihre Bewohner und Bewohnerinnen keine freiwillige Option, sie sind Ausdruck des Mangels an bezahlbarem Wohnraum. Schätzungen besagen, dass durchschnittlich ca. 30 Prozent der städtischen Bewohner und Bewohnerinnen in Entwicklungs- und Schwellenländern in informellen Siedlungen leben.

So ergibt sich ein asymmetrisches Verhältnis: Jene, die besonders stark von den Folgen des Klimawandels betroffen sind, sind meist nur geduldete Bewohner ihrer Stadt. Entsprechend werden sie von ihren Kommunen nicht als Anspruchsträger und Anspruchsträgerinnen von Rechten anerkannt. Projekte zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels sind selten reine Schutzmaßnahmen, beispielsweise in Form eines Deiches, der einen Stadtteil vor reißenden Fluten schützen mag. Häufig handelt es sich um eine Mischung aus Schutz- und sogenannten Stadterneuerungsmaßnahmen. Doch bei der Umsetzung von Schutzmaßnahmen spielen die Interessen der direkt Betroffenen selten eine prioritäre Rolle.

Aus Sicht vieler Kommunen bieten Anpassungsmaßnahmen die wohlbegründete Möglichkeit, sich informeller Siedlungen zu entledigen. Die Notwendigkeit des Schutzes vor den Folgen des Klimawandels sowie die Durchführung entsprechender Infrastrukturmaßnahmen in renditeorientierten öffentlich-privaten Partnerschaften (vgl. auch Kapitel II.12) drohen, in der strukturellen Exklusion besonders Bedürftiger zu münden.

Für die Bewohner und Bewohnerinnen von Gefahrenzonen und insgesamt für städtische Arme ist entscheidend, dass und wie ihre Interessen und Rechte in umfassende Stadtentwicklungsprozesse einbezogen werden. Stehen ihre Interessen nicht im Mittelpunkt aller Überlegungen, wie jüngst vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU) gefordert, drohen sich Stadterneuerungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu einer besonders perfiden Begründung für die Verdrängung armer Bevölkerungsgruppen zu entwickeln. Städtische Arme hoffen auf die Verbesserung ihrer Wohnsituation, die im Idealfall mit der Anerkennung ihrer Siedlungen verbunden ist.

Almuth Schauber
Almuth Schauber
Name

Almuth Schauber

ist Referentin für Städtische Entwicklung/Armut in der Stadt beim Bischöflichen Hilfswerk MISEREOR.