Zu Beginn der Verhandlungen um die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) war lange umstritten, ob Maßnahmen gegen den Klimawandel dort überhaupt berücksichtigen werden sollten. Die SDG-Verhandler/innen hatten zum Teil Angst, „toxische“ Debatten rund um die Klimarahmenkonvention (UN Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) – zum Beispiel zu Gerechtigkeitsfragen – in die SDG-Verhandlungen zu importieren. Die Klimaverhandler/innen und auch viele Nichtregierungsorganisationen (NRO) maßen den SDGs als freiwilligem Rahmenwerk zunächst wenig Gewicht bei. Einigen war jedoch klar, dass Entwicklungs- und Klimafragen heute nicht mehr unabhängig voneinander beantwortet werden können, weshalb sie sich für die Verbindung der Entwicklungs- und Klima-Agenden und damit einen Paradigmenwechsel einsetzten. Die 2030-Agenda und das Paris-Abkommen nehmen direkt aufeinander Bezug und auch führende Politiker wie UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und die scheidende Generalsekretärin des Sekretariats der Klimarahmenkonvention, Christiana Figueres, betonen die Untrennbarkeit der Entwicklungs- und Klima-Agenden.[fn]Vgl. http://newsroom.unfccc.int/paris-agreement/paris-signing-marks-critical-next-step-to-sustainable-fu…. [/fn] Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat beim SDG-Gipfel in New York im September 2015 explizit auf diesen Zusammenhang hingewiesen.[fn]Bundesregierung (2015).[/fn]
Auf narrativer Ebene hebt die 2030-Agenda deutlich hervor, dass der Klimawandel – insbesondere seine Folgen wie Meeresspiegelanstieg, Ozeanversauerung und andere Aspekte – eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ist und die Fähigkeit aller Länder, nachhaltige Entwicklung zu erreichen, beeinträchtigt. Das Überleben vieler Gesellschaften und ihrer biologischen Unterstützungssysteme sind durch ihn gefährdet.
Das Klimaziel (SDG 13) und seine Unterziele bleiben insgesamt dennoch relativ vage und haben keine wirklich neuen, greifbaren Verpflichtungen etabliert. So gelang es beispielsweise nicht, Ziele zur Emissionsreduktion in den SDGs zu verankern. Widersprüche tun sich in der Agenda auf, indem zwar Ansätze einer Integration von Klimaaspekten beispielsweise in den SDGs zu Landwirtschaft oder Siedlungen zu finden sind, gleichzeitig aber auch potentiell klima- und umweltschädlich Infrastrukturmaßnahmen als zentrale Entwicklungsmotoren aufgeführt werden.
Das Paris-Abkommen und die 2030-Agenda sind explizit miteinander verknüpft.[fn]CARE International/WWF International (2016). [/fn] In gewisser Weise konkretisiert das Paris-Abkommen nun auch das Klima-SDG 13. Dies gilt insbesondere für die Temperaturobergrenze als zentrale Leitplanke für die weltweiten Klimaschutzbemühungen. Während die 2030-Agenda noch von einer Begrenzung auf „unter 2 oder 1.5 Grad Celsius gegenüber vorindustriellem Niveau“ spricht, haben sich die Staaten durch das Paris-Abkommen auf eine Begrenzung auf deutlich unter 2 Grad und zu Anstrengungen für eine 1,5-Grad-Grenze verpflichtet.[fn]Der bisher oft verwendete Terminus „2-Grad-Obergrenze“ sollte damit aus dem klimapolitischen Wortschatz verbannt werden, denn mathematisch ist 2 nicht mit „deutlich unter 2 bzw. 1,5“ vereinbar.[/fn] Das in Artikel 4.1 des Paris-Abkommens vereinbarte Ziel, die Emissionen rasch zu reduzieren und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts eine Balance zwischen Emissionen und Aufnahme durch Senken zu erreichen, hat auch Implikationen für das SDG 7 zu Energie. Um Artikel 4.1 mit dem 1,5-Grad-Limit in Einklang zu bringen, bedarf es einer beschleunigten Abkehr von den fossilen Energien hin zu Erneuerbaren, um die Energieemissionen bis spätestens 2050 weltweit auf netto Null zurückzufahren und weitestmöglich auf spekulative Negativ-Emissions-Technologien verzichten zu können: Die langfristigen Ziele erfordern kurzfristiges Handeln und kein Auf-die-lange-Bank-Schieben.
Klimaschutz und Energiewende in Deutschland beschleunigen
Die Verschärfung des Temperaturziels durch das Paris-Abkommen muss Deutschland mit einer kurzfristigen Beschleunigung des Klimaschutzes und der Umstellung auf Erneuerbare Energien beantworten. Dem steht aber entgegen, dass Deutschland schon jetzt droht, das 40 Prozent-Reduktionsziel bis 2020 zu verfehlen. Dazu tragen u.a. die Ausbremsung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien durch die geplante EEG-Reform bei, das aktiv eine mit dem Paris-Abkommen konsistente Klimapolitik unterminiert.
Für den langfristigen Klimaschutz wäre es notwendig, den 2050er-Klimaschutzplan am oberen Ende des bisherigen Zielkorridors – mindestens 95 Prozent Verringerung der einheimischen Emissionen – zu orientieren, eine mögliche Verschärfung des Ziels auf der Agenda zu halten. Zentral ist, die größten Schritte auf diesem Weg bereits in den nächsten zwei Jahrzehnten zu, damit insgesamt möglichst wenige Emissionen in die Atmosphäre gelangen. Der Umstellung der Stromerzeugung auf erneuerbare Energien kommt dabei die Schlüsselrolle zu.[fn]Für weitere wichtige Aspekte der Dekarbonisierung, siehe z.B. Umweltbundesamt (2016).[/fn]
Internationale Zusammenarbeit: Mehr Tempo bei der Klimafinanzierung
Die internationale Kooperation Deutschlands mit anderen Ländern ist vielfältig und manche Initiativen (wie z.B. Unterstützung für Nationale Anpassungspläne oder die G7-Klimversicherungsinitiative) haben das Potenzial, Entwicklungsländer bei der Umsetzung der (Klima-)SDGs wirkungsvoll zu unterstützen, wenn sie richtig umgesetzt werden.
Beispielsweise greift SDG 13.a die klimapolitische Verpflichtung auf, 100 Mrd. US-Dollar an Klimafinanzierung für Entwicklungsländer bis zum Jahr 2020 bereitzustellen und den Grünen Klimafonds (GCF), der in größerem Umfang Klimaschutz und -anpassung in Entwicklungsländern fördern soll, funktionsfähig zu machen.
Beim GCF spielt Deutschland eine wichtige Rolle im Steuerungsgremium und hat durch seine frühzeitige Finanzierungszusage im Jahr 2014 von ca. 1 Mrd. US-Dollar andere Geberländer unter Druck gesetzt, entsprechend nachzuziehen. Die Bundesregierung hat zudem angekündigt, die Mittel weiter zu erhöhen. Die Bundeskanzlerin hat im Mai 2015 beim Petersburger Klimadialog angekündigt, die deutschen Haushaltsmittel für Klimafinanzierung bis 2020 auf ca. 4 Mrd. Euro zu erhöhen.
Im Ergebnis sind bis heute Gesamtzusagen von etwa 10 Mrd. US-Dollar von über 40 Staaten und weiteren Akteuren zusammengekommen.[fn]Vgl. http://www.greenclimate.fund/contributions/pledge-tracker. [/fn] Der GCF gilt ab Mitte 2016 als weitestgehend operationalisiert. Bis Ende 2016 sollen mindestens 2,5 Mrd. US-Dollar für Klimamaßnahmen in Entwicklungsländern bewilligt werden. Eine weitere Auffüllungsrunde ist erst 2018 zu erwarten.
Seit 2014 ist auch insgesamt ein Anstieg der bilateralen Mittel für die Klimafinanzierung zu verzeichnen, auf ca. 2,1 Mrd. Euro im Jahr 2015. Je nach Zählweise ist dies eine Fortsetzung des Anstiegs seit 2011, oder aber ein Wiederanwachsen nach einem deutlichen Abfall von 2013 gegenüber 2014.[fn]Vgl. Kowalzig (2015). [/fn] Hinzu kommen Mittel für multilaterale Fonds wie eben den Grünen Klimafonds, aber auch die Globale Umweltfazilität oder den UN-Anpassungsfonds, oder den Fonds für die am wenigsten entwickelten Länder. Allerdings fehlt insgesamt noch ein klarer, transparenter Aufwuchsplan für die Finanzierung bis 2020, der im Vorfeld der 22. UN-Klimakonferenz in Marokko (November 2016) vorgelegt werden sollte.
Ein Makel in der deutschen Klimafinanzierung bleibt, dass nahezu alle Mittel auf die ODA-Quote zur Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels angerechnet werden, obwohl der Klimawandel, da wo entsprechende Maßnahmen tatsächliche Kosten verursachen, eine zusätzliche Last insbesondere für die ärmsten Entwicklungsländer darstellt. Detailliertere Analysen der Anrechnung von Finanzmitteln für Klimaanpassung werfen zumindest Fragen auf, wenngleich einige andere Geberstaaten eine deutlich großzügigere Anrechnungspolitik zu fahren scheinen.[fn]Adaptation Watch (2015). [/fn] Auch sollte Deutschland den Anteil der Anpassungsfinanzierung, der heute noch deutlich geringer als 50 Prozent ist, erhöhen.
Fazit
Der Kampf gegen den Klimawandel ist ein Kernbestandteil der SDGs: Ohne eine Abwendung eines im großen Maßstab gefährlichen Klimawandels und der Integration von Klimarisiken in nahezu alle SDG-Bereiche sind die SDGs nicht zu erreichen. Aber auch umgekehrt ist Entwicklungsfortschritt zentral für das Ziel einer weitestgehend emissionsfreien und klimaresilienten Transformation.
Deutschlands nationale Klima- und Energiepolitik befindet sich derzeit in einer kritischen Phase, in der die Erreichung der 2020er-Reduktionsziele massiv gefährdet ist und langfristige Weichenstellungen die Pariser Klimaziele zu konterkarieren drohen. Eine solche „Absage“ an das Pariser Klima-Abkommen wäre außenpolitisch fatal zu einer Zeit, in der die Kosten der erneuerbaren Energien weltweit rapide sinken, die Klimafolgen immer stärker zuschlagen und sich die Welt nun ernsthaft kooperativ an den Klimaschutz macht. Ein mit den Pariser Zielen vereinbarer Ausstieg aus der Kohleverstromung muss auf den Weg gebracht und sozial- und wirtschaftspolitisch flankiert sowie der Ausbau der Erneuerbaren beschleunigt statt gebremst werden. Im Bereich der internationalen Klimafinanzierung gibt es positive Entwicklungen und Ankündigungen, die aber durch verlässliche Aufwuchspläne insbesondere bei der öffentlichen Finanzierung noch in diesem Jahr untermauert werden müssen.
Sven Harmeling
arbeitet als Climate Change Advocacy Coordinator bei CARE International.
Adaptation Watch (2015): Toward Mutual Accountability: The 2015 Adaptation Finance Transparency Gap Report. [www.adaptationwatch.org/s/Toward-Mutual-Accountability-The-2015-Adaptation-Finance-Transparency-Gap…].
Bundesregierung (2015): Speech by Dr Angela Merkel, Chancellor of the Federal Republic of Germany, at the United Nations Sustainable Development Summit. Berlin [www.bundesregierung.de/Content/EN/Reden/2015/2015-09-25-merkel-newyork-un_en.html].
CARE International/WWF International (2016): Twin Tracks (3rd Edition): Developing Sustainably and Equitably in a Carbon-Constrained World. [http://careclimatechange.org/publications/twin-tracks-3rd-edition/].
Kowalzig, Jan (2015): Aufbruch in den Aufwuchs bis 2020? Zwischenstand zur Klimafinanzierung aus Deutschland. Berlin [www.deutscheklimafinanzierung.de/wp-content/uploads/2015/11/HH2016_Oxfam_KURZ_%C3%9Cberblick_Klimafinanzierung_ver14November15.pdf].
Umweltbundesamt (2016): Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung: Diskussionsbeitrag des Umweltbundesamtes. Dessau [www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/klimaschutzplan_2050_der_bundes…].