Kasten 4—Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten von Unternehmen verbindlich regeln

Von Heike Drillisch

Sei es im Tourismus, bei der Rohstoffgewinnung, bei der Herstellung von Textilien oder IT-Produkten oder beim Export von Gütern: um unsere Wirtschaft nachhaltig zu gestalten, müssen auch die Produktionsbedingungen dort, wo unsere Konsumgüter herkommen, umweltfreundlich und menschenrechtskonform sein und dürfen hierzulande produzierte Güter an ihrem Bestimmungsort nicht zu Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung beitragen.

Bisher achten viele Unternehmen kaum auf die menschenrechtlichen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit. Nur wenige führen systematische, regelmäßige Risikoanalysen durch und ergreifen effektive Maßnahmen zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen in ihrer Lieferkette. Unternehmen erkennen selten einen ausreichenden wirtschaftlichen Vorteil darin, dem Menschenrechtsschutz eine Priorität einzuräumen. Eine Nichtanwendung der menschenrechtlichen Sorgfalt bleibt für sie weitgehend folgenlos. Sie müssen kaum Sanktionen, Bußgelder oder Schadenersatz gegenüber Geschädigten fürchten.

In Frankreich und Großbritannien sind dagegen unlängst Gesetze zur menschenrechtlichen Sorgfalt eingeführt worden, die einen Mindeststandard gesetzlich definieren: Großbritannien hat ein Gesetz zum Verbot moderner Sklaverei erlassen; [fn]Parliament of the United Kingdom (2015). [/fn] in Frankreich wurde im März 2017 ein Sorgfaltspflichtengesetz beschlossen. [fn]ECCJ (2017). [/fn] Zudem hat der Europarat in einer Empfehlung vom März 2016 seine Mitgliedstaaten aufgefordert, von in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Unternehmen ggf. zu verlangen, bei ihrer gesamten Geschäftstätigkeit menschenrechtliche Sorgfaltspflicht walten zu lassen, und den Rechtszugang Betroffener zu verbessern. [fn]Europarat (2016). [/fn] Auf UN-Ebene wird über ein internationales verbindliches Abkommen zur Regelung der Unternehmensverantwortung diskutiert. [fn]https://business-humanrights.org/en/binding-treaty/un-human-rights-council-sessions [/fn] Die Bundesregierung beteiligt sich an diesem Prozess jedoch noch kaum und hat mit dem Ende 2016 veröffentlichten Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte den Schritt zu einem Sorgfaltspflichtengesetz nicht gewagt, obwohl Nichtregierungsorganisationen einen konkreten Vorschlag vorgestellt hatten, wie Sorgfaltspflichten im deutschen Recht verankert werden könnten. [fn]Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann (2016). [/fn]

Um deutsche Unternehmen stärker in die menschenrechtliche Verantwortung zu nehmen, müssen der künftige Bundestag und die künftige Bundesregierung

  • eine gesetzliche Regelung zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht einführen;
  • Anreize für Unternehmen zur Einhaltung der gesetzlich definierten menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht schaffen, indem nur Unternehmen, die ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen, Außenwirtschaftsförderung und öffentliche Aufträge erhalten;
  • Sanktionen verankern und Klagemöglichkeiten verbessern. Die Vorgaben des Gesetzes sollten durch staatliche Behörden überwacht und durchgesetzt werden. Darüber hinaus sollten Unternehmen gegenüber Geschädigten haften, wenn der Schaden vorhersehbar und durch zumutbare Sorgfaltsmaßnahmen vermeidbar war. Hierzu müssen praktische Hürden beim Rechtszugang abgebaut werden, u.a. indem Kollektiv- und Verbandsklagen eingeführt, Beweislast erleichtert und Prozesskostenhilfe ausgebaut wird. Es sollte außerdem die Einführung eines Unternehmensstrafrechts geprüft werden;
  • sich konstruktiv an den Verhandlungen zu einem völkerrechtlichen Abkommen über Wirtschaft und Menschenrechte beteiligen; und

in ihrer Handels- und Investitionspolitik den Vorrang von Menschenrechten vor Investorenrechten sichern und u. a. Sonderklagerechte von Unternehmen ablehnen, menschenrechtliche Folgenabschätzungen durchführen und Menschenrechtsklauseln in Handelsabkommen aufnehmen.

Heike Drillisch
Heike Drillisch
Name

Heike Drillisch

Heike Drillisch ist Koordinatorin des CorA-Netzwerks für Unternehmensverantwortung.

Literature

CorA-Netzwerk (2016): Bessere Rechtsetzung für Menschen und Umwelt. Forderungen des CorA-Netzwerks für Unternehmensverantwortung an Bundestag und Bundesregierung für die Legislaturperiode 2017 - 2021. Berlin.
www.cora-netz.de/cora/wp-content/uploads/2017/03/CorA_Forderungen_BT-Wahlen_Legislatur2017-2021_2016-11-09.pdf

Europarat (2016): Wirtschaft und Menschenrechte: Neue europäische Richtlinien. Straßburg.
www.coe.int/de/web/portal/news-2016/-/asset_publisher/StEVosr24HJ2/content/human-rights-and-business-new-european-guidelines

European Coalition for Corporate Justice (ECCJ) (2017): France adopts corporate duty of vigilance law: a first historic step towards better human rights and environmental protection. Brüssel.
http://corporatejustice.org/news/393-france-adopts-corporate-duty-of-vigilance-law-a-first-historic-step-towards-better-human-rights-and-environmental-protection

Klinger, Remo/Krajewski, Markus/Krebs, David/Hartmann, Constantin (2016): Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht. Berlin: Amnestiy International/Brot für die Welt/Germanwatch/Oxfam Deutschland.
https://germanwatch.org/de/download/14745.pdf

Parliament of the United Kingdom (2015): Modern Slavery Act 2015. London.
www.legislation.gov.uk/ukpga/2015/30/pdfs/ukpga_20150030_en.pdf