Kasten 3—Wie groß dürfen Konzerne werden?

Megafusionen der Agrarkonzerne schaden Menschen, Umwelt und Demokratie

Von Nelly Grotefendt und Jutta Sundermann

2017 ist das Jahr der Mega-Fusionen: gleich drei Giganten der Agrar- und Chemiebranche, Bayer und Monsanto, Dow und Dupont sowie ChemChina und Syngenta, wollen sich zusammentun und rufen mit diesen Plänen auf der ganzen Welt Protest hervor. Sie gefährden die Zukunftsperspektiven bäuerlicher, ökologischerer Landwirtschaft und lokal angepasster Saatgutsysteme. Ihre Machtposition schadet zudem der Demokratie, denn Marktmacht ist auch eng verknüpft mit politischer Einflussnahme. Wenn die geplanten Fusionen im Agrarsektor zustande kommen, kontrollieren die drei Megakonzerne circa 70 Prozent des weltweiten Marktes für Agrarchemikalien und über 60 Prozent des globalen Saatgutmarktes.

Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, sondern auch auf die Ernährungssouveränität. Betroffen sind insbesondere Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die die Basis der Welternährung sicherstellen und doch zugleich die schwächsten Glieder der Wertschöpfungsketten sind. Auf dem afrikanischen Kontinent beispielsweise macht Saatgut, wenn es von Bäuerinnen und Bauern eingekauft und nicht selbst vermehrt wird, bis zu 50 Prozent ihrer Ausgaben aus. Schon geringe Preissteigerungen hätten da fatale Folgen. Wo auf benachbarten Flächen Pestizide der großen Konzerne eingesetzt werden, sind teilweise schwere gesundheitliche Folgen zu beklagen.

Um Hunger zu bekämpfen und das Recht auf angemessene Nahrung umzusetzen, muss sich Saatgutzüchtung und -bereitstellung insbesondere an den Bedürfnissen der armen Bäuerinnen und Bauern ausrichten. Sie benötigen sehr günstiges, wenn nicht kostenloses, oder über eigenen Nachbau und Tausch zu erlangendes Saatgut und haben Interesse an einer großen Vielfalt an Pflanzen. Konzerne wie Bayer setzen auf Einheitlichkeit, um die hohen Übernahmekosten der angestrebten Fusion zu refinanzieren und Profite zu erwirtschaften. Schon seit Jahren ist maximaler Umsatz weniger (meist patentierter) Sorten seine Maxime, um Aktionäre zu befriedigen und Forschungsausgaben zu amortisieren.

Die Mega-Fusionen sind jedoch kein neues Phänomen, sondern ein jahrelanger Trend: Große Unternehmen werden immer größer und drängen kleine und mittlere aus dem Markt. Dies birgt die oben geschilderten Probleme im Agrar-Bereich, betrifft aber auch andere Sektoren. Die Marktdominanz der Mega-Konzerne muss begrenzt werden und es braucht Gesetze, um Großkonzerne auch missbrauchsunabhängig entflechten zu können. Daher ist eine Verschärfung des Wettbewerbsrechts (der Fusions- und Missbrauchskontrolle aber auch zu erweiternder Entflechtungsregeln) unerlässlich. Die derzeitige Praxis ist unzureichend. Die zuständigen Behörden sind nicht gut genug ausgestattet, die angesetzten Kriterien sind ungeeignet, um die Fusionswellen aufzuhalten.

Das Wettbewerbsrecht wird bisher sehr wenig öffentlich diskutiert und ist kaum politisiert. Die Behörden müssen früher einschreiten und neben Marktkonzentration auch ökologische und soziale Auswirkungen von Fusionen untersuchen. Auch muss es endlich eine internationale Zusammenarbeit der unterschiedlichen Kartellbehörden geben, denn heute klaffen die Möglichkeiten der auf nationale Ebene oder maximal auf Staatengemeinschaften wie die EU beschränkten Kartellbehörden und die der global aufgestellten Konzerne immer weiter auseinander.

Es ist Zeit, zu fragen, wie groß Konzerne noch werden dürfen und ihrer Machtfülle Riegel vorzuschieben. Es geht um Chancen für soziale und ökologische Entwicklung und um die Demokratie, die Konzerninteressen etwas entgegensetzen können muss.

Nelly Grotefendt
Nelly Grotefendt
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Nelly Grotefendt

Nelly Grotefendt ist Referentin für Politik mit Schwerpunkt auf Weltwirtschaft und Handelspolitik beim Forum Umwelt und Entwicklung.

Jutta Sundermann
Jutta Sundermann
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Jutta Sundermann

Jutta Sundermann leitet die Kampagnen wie „Brot in Not“ und „Kampf den Giganten – gegen die Fusion von Bayer und Monsanto“ bei Aktion Agrar.