Von Antje Monshausen
Große Swimmingpools, weitläufige Gärten – seit Jahrzehnten schon üben die Hotelanlagen in warmen Küstenregionen eine besondere Anziehungskraft auf Reisende aus und bescheren den deutschen Reiseveranstaltern Wachstumsrekorde. Doch die Besucherströme hinterlassen ihre Spuren. Immer mehr Tourist/innen und die wachsende Infrastruktur verzehren Unmengen an Wasser. Der Wasserverbrauch auf Reisen ist nicht nur wesentlich höher als zu Hause, Tourismus findet auch häufig in Regionen statt, die unter Wassermangel leiden bzw. in denen unzureichende (verwaltungs-)technische Voraussetzungen Wasserverschwendung und -verunreinigung begünstigen. Das Recht der Einheimischen auf Wasser bleibt dabei in vielen Fällen auf der Strecke. Damit gefährdet der Tourismus die Erreichung des sechsten Ziels für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Wasser und der Sanitärversorgung für alle.
Mit SDG 6 enthält die Agenda 2030 ein eigenes Ziel für nachhaltige Entwicklung für den Bereich Wasser und stärkt damit das seit 2010 in den Kanon der allgemeinen Menschenrechte aufgenommene Recht auf Wasser und Sanitärversorgung. Der Zugang zu Wasser ist nicht nur ein allein stehendes Ziel, sondern hat enge Verbindungen zu weiteren SDGs, wie der Beendung von Hunger, der Förderung nachhaltigen Wirtschaftswachstums, der Sicherstellung nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster, der Bekämpfung von Klimawandel und seinen Auswirkungen und vielen anderen mehr. Schon an dieser unvollständigen Aufzählung wird deutlich, wie eng SDG 6 mit den Bedingungen verbunden ist, unter denen Tourismus stattfindet. Tourismus wiederum wird in drei der 17 SDGs explizit genannt (SDG 8, 12, 14) – nicht aber im Wasserziel, obwohl es enge Verknüpfungen zwischen Wasser und Tourismus gibt: Der Wasserverbrauch auf Reisen ist nicht nur wesentlich höher als zu Hause, Tourismus findet auch häufig in Regionen statt, die unter Wassermangel leiden bzw. in denen unzureichende (verwaltungs-) technische Voraussetzungen Wasserverschwendung und -verunreinigung begünstigen. Die beliebtesten Reisemonate fallen darüber hinaus meist mit den niederschlagärmsten Zeiten im Gastland zusammen.
Der Tourismus, wie er heute existiert, verstärkt Wasserknappheit und führt eher zu Wasserungerechtigkeit, als das er diese Probleme beseitigt. „Tourists in many areas actually contribute to water scarcity and inequity, through the appropriation of public water supplies, over exploitation of aquifers, lowering of groundwater tables, and contamination of freshwater by saltwater and sewage. This leads to conflict and resentment among local people, and threatens the sustainability of tourism, which in turn further damages the economy of the places being visited.” [fn]Jennings (2016), S. 39. [/fn]
Deutschland: „Weltspitze“ beim Wasserverbrauch und beim Reisen
Durchschnittlich 120 Liter Wasser pro Tag verbraucht jeder Mensch in Deutschland im Haushalt, um zu kochen und zu putzen, zu duschen und die Toilette zu spülen. Weitere 5.000 Liter „virtuelles Wasser“ kommt hinzu, also Wasser, das benötigt wird für die Herstellung von Nahrungsmitteln und Gütern, die in Deutschland im Durchschnitt täglich pro Person konsumiert werden. [fn]Brot für die Welt (2015), S. 37. [/fn] Gerade für die Herstellung landwirtschaftlicher Produkte – die weltweit 70 Prozent allen verfügbaren Trinkwassers verbraucht – „verschuldet“ sich Deutschland in Bezug auf den Wasserverbrauch im Ausland, weil es viele Produkte aus wasserarmen Gebieten importiert.
Nicht nur der Wasserverbrauch der Deutschen ist enorm, auch die Reiseintensität ist international sehr hoch: Deutschland ist global gesehen der drittgrößte Sendemarkt; in keinem anderen Land der Welt reist ein so großer Teil der Bevölkerung so oft und so weit. Besonders beliebt ist dabei der Sonne-Sand-Meer Tourismus, der von warmem, regenarmem Wetter abhängt. Beliebte Urlaubsländer rund um das Mittelmeer erfüllen nahgelegene Urlaubsträume. Sie leiden aber auch in zunehmendem Maße unter Wassermangel – im Frühsommer 2017 u.a. in Italien zu beobachten, wo bereits Ende Juni, noch vor den heißtesten und trockensten Monaten des Jahres, in einigen Regionen die Wasservorräte erschöpft sind und die Regierung den Notstand ausgerufen hat. [fn]Vgl. z.B. www.nzz.ch/panorama/hitzewelle-notstand-wegen-wasserknappheit-in-italien-ld.1302567. [/fn] Schattenspendende Grünanlagen, weitläufige Golfplätze und kühlende Pools benötigen viel Wasser. Kein Wunder, dass der Verbrauch auf Reisen nachweislich höher ist als zu Hause.
Reisen wird zunehmend wasserintensiver
Bisher existieren global kaum Studien zum Wasserverbrauch im Tourismus. Im Folgenden werden Zahlen von Gössling/Peters (2015) genannt, die die Ressourcennutzung des Tourismus zwischen 1900 und 2010 erfassen und Projektionen bis 2050 anstellen: [fn]Gössling/Peeters (2015). [/fn]
- Der jährliche direkte und indirekte Wasserverbrauch des Tourismus lag 2010 bei 138 Kubikkilometern (km3) – das entspricht im Schnitt 6.575 Litern pro Reisendem und Tag. Wegen des touristischen Wachstums und der Zunahme wasserintensiver Reiseangebote sowie Transportmittel wird erwartet, dass sich der absolute Verbrauch bis 2050 etwa verdoppeln wird.
- Der direkte Wasserverbrauch in den Unterkünften liegt zwischen 84 und 2.425 Litern pro Übernachtung. Er beinhaltet den persönlichen Wasserbedarf fürs Duschen und die Toilette, sowie Swimmingpools, die Zimmerreinigung, die Bewässerung von Grünanlagen, etc. Mit steigender Ausstattung der Hotels steigt auch der Wasserverbrauch. Im Rahmen von Freizeitaktivitäten kommen noch einmal 10 bis 875 Liter pro Reisetag hinzu. Immer beliebter werden wasserintensive Angebote, wie Golfspielen oder Wellnessangebote.
- Des Weiteren entfallen auf Nahrungsmittel nochmals im Schnitt 6.000 Liter Wasser pro Reisetag. Im Schnitt verbrauchen Urlauber täglich mindestens 0,5 Kilogramm Nahrungsmittel mehr als zu Hause – auch dank verschwenderischer Büfetts.
- Die Anreise zum Urlaubsort ist ebenfalls wasserintensiv: je nach Distanz bzw. Verkehrsmittel fallen hier nochmal 5 bis 2.500 Liter pro Gast und Übernachtung an. Die Nutzung von Bio-Kraftstoffen im Flugverkehr verursacht mit 2.500 Litern pro Reisetag den höchsten Wasserverbrauch. Agro-Kraftstoffe, die von der Luftverkehrsbranche als eine der Säulen für „nachhaltige“ Entwicklung forciert werden, haben erhebliche Nebenwirkungen und sind keine Lösung, sondern Teil des Problems.
Wasserstress in beliebten Reiseländern
Neben dem absoluten Wasserverbrauch der Reisenden ist auch die Wassersituation der lokalen Bevölkerung hoch relevant. Tourismus wird zu einer Frage der Gerechtigkeit, wenn Wasser vor Ort ein knappes Gut und der Wasserverbrauch der Reisenden im Vergleich zur lokalen Bevölkerung enorm hoch ist. Einige Beispiele:
- Im indischen Goa verbraucht ein 5-Sterne-Ressort 1.785 Liter Wasser pro Zimmer und Tag, während die nahe lebende Bevölkerung mit täglich 14 Litern auskommen muss. Ihre eigenen Brunnen wurden wegen Wassermangels und Verunreinigungen zum Teil geschlossen. [fn]Tourism Concern (2012). [/fn]
- Auf der indonesischen Insel Bali werden 65 Prozent des vorhandenen Wassers im Tourismus verbraucht. Da der Wasserdruck der öffentlichen Leitungen oft gering ist, besitzen die meisten Hotels eigene Brunnen, die im Gegensatz zu den Brunnen der Bevölkerung motorbetrieben sind. Die Brunnen werden immer tiefer gebohrt, so dass der Wasserspiegel zunehmend fällt und Salzwasser das vorhandene Grundwasser verunreinigt. [fn]Cole (2012). [/fn]
- In Florida füllen Kreuzfahrtschiffe ihre Wasserreserven auf und zahlen dabei einen Pauschalpreis, egal wie viel Wasser sie entnehmen. Die Hauptreisezeit fällt traditionell in die trockensten Monate, in denen lokale Unternehmen und die Bevölkerung regelmäßig zum Wassersparen aufgerufen werden. [fn]Vgl. http://articles.sun-sentinel.com/2011-11-28/news/fl-cruise-water-20111127_1_cruise-ships-largest-cr…. [/fn] Ähnliche Berichte gibt es aus Südafrika, das 2016 von einer enormen Trockenheit betroffen war, sowie von verschiedenen karibischen Inseln, auf denen die Wasserversorgung vor Ort teilweise stundenweise zum Erliegen kommt, wenn Kreuzfahrtschiffe ihre Vorräte auffüllen.
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Die Tourismuswende gestalten
Trotz seiner enormen Bedeutung für die Erreichung der Agenda 2030, wird die externe Dimension des SDG 6, das heißt die ökologischen und sozialen Konsequenzen des Wasserverbrauchs der Deutschen im Ausland in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie nicht hinreichend reflektiert. Neben der Agrar- und Elektroindustrie, sowie der Rohstoffgewinnung ist der Tourismus in einer Vielzahl von Südländern für steigenden Wassermangel mit verantwortlich und muss daher für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele in die Pflicht genommen werden.
Tourismuspolitik wird aber weiterhin als Standortpolitik innerhalb Deutschlands verstanden. Die Bedeutung der Auslandsreisen der deutschen Bevölkerung für die Nachhaltigkeit und die Entwicklung in den betreffenden Ländern wird nicht abgebildet. Dabei ist die Nennung des Tourismus in der Agenda 2030 eine notwendige Anerkennung der immensen Bedeutung des Sektors. Gleichzeitig ist sie aber auch Mahnung, den Tourismus endlich auf einen nachhaltigen Entwicklungspfad zu steuern. Diese Mahnung ist bisher offensichtlich in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie noch nicht angekommen. Die 2018 anstehende Überarbeitung der Nachhaltigkeitsstrategie bietet Gelegenheit, dies zu korrigieren und die Auswirkungen des deutschen Auslandstourismus hinreichend zu berücksichtigen.
Auf Grund seines hohen und zunehmenden Wasserverbrauchs, ist der Tourismus momentan eher ein Hemmschuh für die Erreichung von SDG 6. Damit sich dies ändert, ist in Deutschland eine grundlegende Politik-, Unternehmens- und Konsumwende im Tourismus nötig.
Politikwende
- Klare Reduktionsziele des deutschen Wasserverbrauchs in der Nachhaltigkeitsstrategie und ihrem Monitoring festlegen: Es bedarf der Erfassung und Minderung gerade des virtuellen Fußabdrucks durch Deutschland in Ländern, die von Wasserstress betroffen sind.
- Unternehmensverantwortung und Berichterstattung verbindlich regeln: Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte beschreiben deutlich die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten von Unternehmen. Bisher hat sich die Bundesregierung im Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte nur auf eine Erwartungshaltung gegenüber Unternehmen verständigt. Die Überprüfung und Sanktionierung bei Nicht-Beachtung steht noch aus.
- Umwelt- und klimaschädigende Subventionierung abbauen und Bewirtschaftungsweisen in Bezug auf ihre Klimawirkung adäquat besteuern: Die Subventionierung klimaschädlicher Mobilitätsarten, allen voran des internationalen Flug- und Schiffsverkehrs, sind einer der wichtigsten Gründe für das immense Wachstum des Tourismus. In diesem Zusammenhang ist auch die Förderung von Agrotreibstoffen zu nennen. Ihr großflächiger Anbau für den Straßen- und zunehmend auch den Flugverkehr hat erhebliche Auswirkungen auf den Wasserverbrauch und das Recht auf Wasser – insbesondere in Entwicklungsländern.
- Good governance fördern: Die Stärkung und Umsetzung regulativer Maßnahmen vor Ort und der Abbau von Korruption sollte gestärkt werden. Dazu gehört die Anerkennung von Wasser als sozialem und kulturellem Gut, das nicht für den Individualbedarf kommerzialisiert werden darf, sowie die Sicherstellung und Förderung des Wasser- und Sanitärzugangs – insbesondere von vulnerablen Gruppen, wie Frauen, Kindern und indigenen Völkern.
- Partizipation der lokalen Bevölkerung stärken: Im Sinne des „leave no one behind“-Prinzips der Agenda sollte die Mitwirkung lokaler Gemeinschaften an der Verbesserung der Wasserbewirtschaftung und der Sanitärversorgung unterstützt und verstärkt werden. Das gilt besonders für Programme der Entwicklungszusammenarbeit und der Außenwirtschaftsförderung.
Unternehmenswende
- Produktanpassungen vornehmen: Es wird nicht ausreichen, Wasser nur im operativen Geschäft zu sparen. Eine Anpassung von Reiseangeboten an die lokale Wassersituation wird notwendig werden, d.h. die Vermeidung wasserintensiver Angebote in Ländern, die von Wasserknappheit betroffen sind.
- Ressourcen verantwortungsvoll managen und Wasserverbrauch reduzieren: Reiseunternehmen sind gefordert, die Auswirkungen ihres Handelns auf das Recht auf Wasser und Sanitärversorgung kontinuierlich zu prüfen und im Rahmen von Verbesserungsprogrammen zu optimieren.
- Kontinuierlichen Dialog und Beschwerdemöglichkeiten sowie Abhilfe bei Verletzungen des Rechts auf Wasser und Sanitärversorgung schaffen.
- Gemeinsamen Nutzen schaffen: Strategien entwickeln, wie notwendige tourismusbezogene Infrastrukturmaßnahmen für das eigene Unternehmen, die Realisierung von Wasser- und Sanitärzugang für die lokale Bevölkerung unterstützen können.
- Bildungsmaßnahmen im Unternehmen implementieren, damit die Mitarbeitenden auf allen operativen Ebenen Wassersparmaßnahmen kennen und umsetzen.
Konsumwende
- Verantwortungsvoll reisen: Reisende sollten der lokalen Wassersituation angemessene Reiseangebote wählen, mit knappen Ressourcen vor Ort respektvoll umgehen und ihren Wasserverbrauch reduzieren.
Antje Monshausen
Antje Monshausen leitet Tourism Watch bei Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst.
Brot für die Welt (2015): Die Welt im Wasserstress – Wie Wasserknappheit die Ernährungssicherheit bedroht. Wasser Report. Analyse 49. Berlin.
www.brot-fuer-die-welt.de/fileadmin/mediapool/2_Downloads/Fachinformationen/Analyse/analyse-49_wass…
Cole, Stroma (2012): A political ecology of water equity and tourism: A Case Study From Bali. In: Annals of Tourism Research, 39 (2), S. 1221-1241.
Gössling, Stefan/Peeters, Paul (2015): Assessing tourism‘s global environmental impact 1900–2050. In: Journal of Sustainable Tourism, 23 (5), S. 639-659.
www.researchgate.net/profile/Stefan_Goessling2/publication/273901806_Assessing_tourism%27s_global_environmental_impact_1900-2050/links/552e284e0cf2d4950717b589.pdf
Jennings, Helen (2016): Goal 6: Clean Water and Sanitation. In: Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung/Alba Sud et al. (Hrsg.): Transforming Tourism – Tourism in the 2030 Agenda. Berlin, S. 39-44.
www.transforming-tourism.org/fileadmin/baukaesten/sdg/downloads/sdg-complete.pdf
Tourism Concern (2012): Water equity in Tourism: A Human Right – A Global Responsibility. Croydon.