Von Ilka Hoffmann und Ansgar Klinger
Unsere Wirtschafts- und Lebensweise hat weltweit zu gravierenden ökologischen und sozialen Schäden und daraus resultierenden Krisen geführt. Epochale Herausforderungen wie der Klimawandel, die zunehmende soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit, die Übernutzung natürlicher Ressourcen, der Verlust von Arten und fruchtbaren Böden und die damit verbundenen Krisen wie Wasser- und Nahrungsknappheit können nur gemeistert werden, wenn wir unsere Produktions- und Konsummuster ändern.
Das wiederum ist nur möglich, wenn die junge Generation Zugang zu qualitativ hochwertiger, wirkungsvoller Bildung für nachhaltige Entwicklung erhält. Deutschland braucht mehr Bildung für nachhaltige Entwicklung, mehr Erziehung und Bildung hin zu Weltoffenheit, zu Verständnis von globaler Gerechtigkeit, zu Wertschätzung von biologischer und kultureller Vielfalt, zur Anerkennung der Menschenrechte, zu Partizipation und Teilhabe, zum respektvollen Umgang mit Mitmenschen und mit der Umwelt. Wie die Umsetzung in der Schule konkret aussieht und wie sie finanziell unterfüttert werden muss, hat das „Bündnis Zukunftsbildung“ ausgearbeitet. In der Praxis zeigt sich: Das Konzept trägt Früchte.
Das Bündnis Zukunftsbildung
Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) in Schulen zu integrieren, ist ein Ziel des „Nationalen Aktionsplans“ in Deutschland, der sich u.a. auf SDG 4 „Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern“ bezieht. Wie die Umsetzung in der Schule konkret aussieht und wie sie finanziell unterfüttert werden muss, hat das „Bündnis Zukunftsbildung“ ausgearbeitet.
Das Bündnis entstand 2014 auf Initiative von Greenpeace. Es ist ein Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Akteur*innen, die sich seit vielen Jahren in den Bereichen des Umwelt- und Naturschutzes, der Entwicklungszusammenarbeit, der Demokratie-, Friedens- und Menschenrechtsarbeit, der Aus- und Weiterbildung sowie der Gewerkschaftsarbeit engagieren. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) war von Anfang an mit dabei. Weitere Mitglieder des Bündnisses sind BUND, BUNDJugend, Germanwatch, Innowego, NAJU, OXFAM, Welthungerhilfe und WWF.
Ziel des Bündnisses ist es, BNE in allen Bildungsbereichen zu implementieren und die Bildungsinstitutionen, die Öffentlichkeit und last but not least die Politik von der Notwendigkeit einer strukturellen Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung zu überzeugen. Denn unsere Wirtschafts- und Lebensweise hat weltweit zu gravierenden ökologischen und sozialen Schäden und daraus resultierenden Krisen geführt. Epochale Herausforderungen wie der Klimawandel, die zunehmende soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit, die Übernutzung natürlicher Ressourcen, der Verlust von Arten und fruchtbaren Böden und die damit verbundenen Krisen wie Wasser- und Nahrungsknappheit können nur gemeistert werden, wenn wir unsere Produktions- und Konsummuster ändern. Dies ist nur möglich, wenn die junge Generation Zugang zu qualitativ hochwertiger, wirkungsvoller Bildung für nachhaltige Entwicklung erhält. Deutschland braucht mehr Bildung für nachhaltige Entwicklung, mehr Erziehung und Bildung hin zu Weltoffenheit, zu Verständnis von globaler Gerechtigkeit, zu Wertschätzung von biologischer und kultureller Vielfalt, zur Anerkennung der Menschenrechte, zu Partizipation und Teilhabe, zum respektvollen Umgang mit Mitmenschen und mit der Umwelt. Aus diesen Gründen ist Bildung für nachhaltige Entwicklung keine Idee von vielen, sondern das Zukunftsthema für alle Bildungseinrichtungen.
Darum versucht das Bündnis Zukunftsbildung auf verschiedenen Ebenen aktiv zu werden und Einfluss zu nehmen: Durch gemeinsame Schreiben an Politiker*innen, aktive Mitarbeit in den Fachforen der Nationalen Plattform „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, Veranstaltungen, Tagungen und Expertisen. Mit der Expertise zur Finanzierung und Implementierung von BNE Warum redet niemand über Geld? – Vorschläge zu Finanzierung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in Schulen hat das Bündnis 2018 einen Fahrplan zur praktischen Umsetzung von BNE an allgemeinbildenden Schulen vorgelegt. [fn] Teichert/Held/Foltin/Diefenbacher (2018). [/fn]
Acht Schritte zur Umsetzung von BNE – Deutschland muss Geld in die Hand nehmen
Der Expertise liegt die Einsicht zugrunde, dass BNE nicht ausschließlich als schulgesetzliche Vorgabe oder in Form einer Verordnung der Kultusbehörde, sozusagen on top ohne weitere Unterstützung zu den bisherigen Aufgaben der Schulen angewiesen werden kann. Sie muss vielmehr in vielen kleinen Schritten auf sämtlichen Ebenen durchgeführt und damit auch in die Routinen des Schulalltags [fn] Vgl. ebd., S. 4. [/fn] – genauso wie im gesellschaftlichen Alltag – integriert werden. Zur glaubwürdigen Implementierung von BNE schlägt die Expertise acht Maßnahmen vor und errechnet, wie viel Geld dafür in die Hand genommen werden muss (vgl. Abb. 5 und Tab. 1).
Ziel der ersten Maßnahme „Konzeption einer BNE-Strategie“ ist, dass jedes Bundesland während eines Zeitraums von drei Jahren zwischen 2018 und 2020 eine Strategie entwickelt, BNE entsprechend der Bildungsstruktur des Landes umzusetzen. Hierzu gehören die Organisation von kleinen Workshops für Lehrkräfte ebenso wie Großveranstaltungen für ganze Schulen. Bildungsforscher*innen kalkulieren durchschnittliche Gesamtkosten von 300.000 Euro pro Bundesland. Für 16 Bundesländer und den Bund ergibt das 5,1 Millionen Euro.
Die zweite, darauf aufbauende Maßnahme besteht in der „Verankerung von BNE in den schulrechtlichen Vorschriften“, also den Schulgesetzen der Länder und den Lehrplänen (Curricula). Vorgesehen ist hier ebenfalls ein dreijähriger Zeitraum: 2020 bis 2022.
Ganze acht Jahre sind für die dritte Maßnahme vorgesehen: 2021 bis 2028. „BNE soll in Lehrmaterialien integriert“ werden und ein Austausch der Lehrmaterialien stattfinden. Ziel ist, dass Lehrmaterialien in didaktisch und fachlich guter Qualität zur Verfügung stehen. Die Schulen – die Expertise berücksichtigt explizit allgemeinbildende Schulen – sollen mithilfe der vierten von 2020 bis 2030 unternommenen Maßnahme befähigt werden, BNE in das eigene Schulprofil, die schulischen Curricula sowie den Unterricht zu integrieren. Dies soll in Form eines Projekts geschehen, für das eigene BNE-Koordinatoren*innen in den Schulen gewonnen werden müssen. Sofern jede (allgemeinbildende) Schule an einem dieser Projekte teilnimmt, entstehen Kosten von ca. 973 Millionen Euro.
Die fünfte Maßnahme – die „Einführung von BNE-Koordinatoren*innen“ – ist eng damit verbunden: An jeder Schule soll mindestens ein*e BNE-Koordinator*in benannt werden, an größeren Schulen mehrere. Diese koordinieren den fachübergreifenden BNE-Unterricht und stehen somit intern wie extern als Ansprechpersonen für das BNE-Thema zur Verfügung. Die Gesamtkosten für die Einführung von BNE-Koordinatoren*innen zwischen 2020 und 2030 belaufen sich auf ca. 2,15 Milliarden Euro für deren Anrechnungsstunden sowie weitere knapp 360 Millionen Euro für Fortbildungen.
Die sechste Maßnahme dient der „Befähigung der Lehrkräfte zur Umsetzung von BNE“. Die Studie empfiehlt jeder Lehrkraft, mindestens einmal alle zwei Jahre an einer eineinhalbtägigen BNE-Fortbildung teilzunehmen. Über alle Bundesländer hinweg ist dies im Endausbau 2030 mit Aufwendungen in Höhe von 375 Millionen Euro pro Jahr verbunden. Für den Zeitraum 2020 bis 2030 kalkulieren die Bildungsforscher*innen mit 2,07 Milliarden Euro. Für die Umsetzung von BNE in den eigenen Unterricht sollen die Lehrkräfte eine Deputatsstunde als Anrechnung erhalten. In der Summe macht das zwischen 2020 und 2030 Mehraufwendungen in Höhe von 7,07 Milliarden Euro.
Die Umsetzung von BNE in den Schulen setzt eine Betreuung, Konzipierung und Unterstützung in den zuständigen Kultusbehörden sowie der „oberen“ und „unteren“ Schulaufsicht voraus. Länderübergreifend kostet diese siebte Maßnahme „Erhöhung der personellen Kapazitäten für BNE in Behörden“ für den Zeitraum 2018 bis 2030 knapp 160 Millionen Euro. Wobei ab 2022 bereits der Ausbau abgeschlossen sein wird und von da an jährlich 14 Millionen Euro kostet.
Die letzte, achte Maßnahme besteht in der „Erhöhung öffentlicher Mittel zur Umsetzung von BNE“. Denn zumindest für eine Übergangszeit ist eine aktive staatliche Förderung über den gewöhnlichen Unterricht hinausgehender Projekte zur BNE-Vermittlung erforderlich. Hierfür veranschlagen die Bildungsforscher*innen für 2018 bis 2030 insgesamt 920 Millionen Euro.
Tabelle 1 veranschaulicht die Maßnahmen, deren jeweilige Laufzeit, die entsprechenden jährlichen Aufwendungen sowie die Gesamtaufwendungen im Zeitraum 2018 bis 2030.
Bildung für nachhaltige Entwicklung gibt es nicht umsonst
Die Expertise zeigt deutlich auf, dass eine glaubwürdige Einführung und Umsetzung von BNE in den Schulen weder „on top“ von den Lehrkräften bewerkstelligt werden kann noch kostenfrei ist. Die verantwortlichen Länder müssen langfristig – von 2018 bis 2030 – ganze 13,7 Milliarden Euro und ab 2030 jährlich etwa 2,2 Milliarden Euro für eine wirksame Bildung für nachhaltige Entwicklung in die Hände nehmen. Nur so kann BNE zur Erfüllung von SDG 4 wirklich in unserem Schulsystem etabliert werden. Auch wenn diese absoluten Zahlen hoch anmuten, so sind sie im Rahmen der gesamten Bildungsaufwendungen der Länder zu relativieren: Nach dem Ausbau von BNE machen die hier kalkulierten laufenden BNE-Ausgaben der Länder für die Schulen gerade einmal 3,6 Prozent der gesamten schulischen Ausgaben aus. Die Länder sind nun gefordert, die beschriebenen Erkenntnisse umzusetzen und auch auf die berufsbildenden Schulen zu übertragen. Dass das gelingen kann, zeigen schon heute diverse Praxisbeispiele (vgl. Box 1).
Weitere Informationen zum Bündnis Zukunftsbildung unter
www.buendnis-zukunftsbildung.de
Ilka Hoffmann
Ilka Hoffmann ist Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der GEW für den Organisationsbereich Schule.
Ansgar Klinger
Ansgar Klinger ist Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der GEW für Berufliche Bildung und Weiterbildung.
Teichert, Volker/Held, Benjamin/Foltin, Oliver/Diefenbacher, Hans (2018): Warum redet niemand über Geld? – Vorschläge zu Finanzierung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in Schulen. Heidelberg: Bündnis Zukunftsbildung.
www.gew.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=67936&token=a497c7cc6c56a58bc4ee3ef70400592f4b849a71&sdownl…